Sex and the city
Laut Gedacht Reviews

Sex and the City – Warum wir die Serie lieben dürfen aber kritisieren müssen

VON GAST

Wieso wir Sex and the City lieben dürfen…

Sex and the City. Kaum eine Serie bedeutet mir so viel wie diese. Sie begleitet mich schon länger, als es vielleicht hätte sein sollen. Schon als Teenie habe ich mich zur Schlafenszeit die Treppe hinunter geschlichen und heimlich aus dem Hintergrund mitgeschaut, während meine Mutter auf dem Sofa eingeschlafen war.

Mich faszinierte dieser offene Umgang mit Sexualität, die Thematisierung von Tabu-beladenen Inhalten, diese vier starken Frauen die über ihre Erlebnisse und Probleme sprechen, dabei kein Blatt vor den Mund nehmen, ein aufregendes, schillerndes und wildes Leben im New York der 90er und 2000er Jahre führen, Fashion zelebrieren und ganz besonders faszinierte mich die Scharfsinnigkeit der Figur Carrie Bradshaw, die im Rahmen ihrer Kolumne aus jeder Folge einen geschlossenen Kreis schafft. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich kann aus fast jeder Folge etwas für mich ziehen. Die Serie zeigt fast immer vier Versionen von Situationen und Problemen aus der Single- sowie Beziehungswelt. So können sich die unterschiedlichsten Menschen mit der Serie und den Charakteren identifizieren.

Sex and the City hat mich selbstbewusster gemacht. Die Serie hat mich gelehrt, dass es immer jemanden geben muss, der die Dinge als erstes beim Namen nennt, damit andere es hören und sich verstanden fühlen können – und so wie ich das durch die Serie erlebt habe, wollte ich es später dann durch meinen Blog auch anderen zurückgeben.

…und warum wir sie kritisieren müssen.

Je älter ich jedoch wurde umso öfter sah ich mir die Wiederholungen der Serie im TV an. Jahrelang nahm ich also Staffel für Staffel, Folge für Folge genauestens unter die Lupe. Fragt mich bitte nicht, wie oft ich die Serie schon durchgeschaut habe.

Sex and the City kommt wie bereits erwähnt auf den ersten Blick sehr weltoffen und aufklärerisch daher – auf den zweiten Blick finden sich jedoch viele kontroverse und umstrittene Widersprüche. Hier nur einige Beispiele über die ich beim schauen gestolpert bin:

Durch die gesamte Serie sowie die Filme zieht sich die stereotype Darstellung von Schwulen: Anthony und Stanford werden auf ihre Rollen als zickige, feminine beste Freunde der Frauen reduziert. Mehr sind sie nicht. Sie werden auch nur für diese Funktion hervorgeholt. In einer späteren Staffel bringt Stanford es jedoch an einer Stelle gut auf den Punkt, als er Carrie darauf hinweist, dass er sich seit Jahren ihren Scheiß anhören muss und sie nicht ein einziges Mal etwas zu seinem neuen Freund sagen könne. In dieser Szene hat er nach wie vor all mein Verständnis.

Ein weiteres Thema das mir negativ auffiel: Statt das Problem von Rassismus gegen Schwarze zu behandeln wird beispielsweise in Staffel 3 Folge 5 auf plumpe Art und Weise der Fokus auf die bösartige Darstellung einer schwarzen Protagonistin (von denen es in der Serie sowieso schon sogut wie keine gibt) gelegt und die weiße Samantha als armes, diskriminiertes Opfer präsentiert. Die Autoren der Serie bedienen sich dabei einem rassistischen und u.a. in der früheren Filmbranche oft sehr beliebten Stereotyp. Der Bruder der Frau, den Samantha datet, wirkt für die Serie zudem nur wie eine Art Accessoire: „Seht her, sie schläft auch mit einem Schwarzen, wir sind so tolerant und weltoffen, vergesst das nicht, auch wenn das nur einer von insgesamt zwei schwarzen Männern ist, mit denen eine der Hauptprotagonistinnen im Laufe der gesamten Serie etwas haben wird“.

Beim Sex mit ihm läuft im Hintergrund natürlich auch sanfter Hip Hop und beim Frühstück erzählt Samantha ihren Freundinnen von seinem „großen schwarzen Ding“. Die veraltete, stereotype und rassistische Darstellung von Schwarzen ist in der Serie mehr als problematisch. In der letzten Staffel der Serie handelt es sich meiner Meinung nach zudem um kulturelle Aneignung als Samantha zur Feier des Abends eine Afro-Perücke trägt.

Auch die Folge der dritten Staffel in der Bisexualität zu einer Laune und einem Modetrend reduziert wird, fällt mir sehr negativ auf. Carrie datet in Folge 4 einen jüngeren Typen der sich später als bisexuell outet. Carrie stellt das in Gesprächen mit ihren Freundinnen und auch in ihrer Reflexion als kindische, jugendliche Naivität und als banal dar.

Ebenso findet die Diskriminierung von kleinwüchsigen Menschen in der dritten Staffel statt: Samantha datet in Folge 2 einen kleinwüchsigen Mann, über dessen Größe sie mehr als nur ein Mal in extrem herablassender Wortwahl herzieht. Die Moral am Ende der Folge: Man sollte die Unterschiede zwischen kleinwüchsigen Menschen und durchschnittlich großen Menschen nicht verkrampft ignorieren sondern auch gemeinsam darüber reden und lachen dürfen. An sich keine super falsche Message: Aber sie stammt aus der Sicht von nicht-kleinwüchsigen Menschen. Und das ist falsch. Denn wenn jemand das Recht hat ein solches Fazit zu ziehen, dann nur Betroffene.

Außerdem wird das Thema „Erektionsstörung“ im Rahmen von Charlotte und ihrem Ehemann behandelt: Allerdings wird statt verständnisvoll eher urteilend und abwertend über Trey gesprochen. Er hat mehr als ein Mal deutlich gemacht, dass das für ihn kein Problem darstellt, Charlotte bedrängt ihn jedoch immer wieder etwas gegen diese Einschränkung zu machen. Meine Meinung: Entweder müssen die beiden einen Kompromiss eingehen oder sich trennen, wenn sie da nicht auf einen Nenner kommen. Aber stattdessen verurteilt und bedrängt Charlotte Trey unaufhörlich.

Weiter werden viele umfangreiche Themen auf das Nötigste heruntergebrochen und relativ naiv dargestellt. Genauso wie später in den Filmen: Obwohl ich einige Botschaften aus Teil 2 sehr zu schätzen weiß (z.B.: Jede Ehe/Beziehung macht ihre eigenen Regeln; Man darf Mütter nicht verurteilen wenn sie auch mal an ihrer eigenen Mutterrolle und dem neuen Familienleben verzweifeln; Es ist okay sich auch mal Abstand in einer Beziehung zu wünschen und Zeit für sich zu benötigen etc.), sind viele Darstellung relativ problematisch – mehr als einmal kombinieren die Autoren hier nämlich den typischen Sex and the City Stil mit einer gehörigen Islam-Kritik – was sich mehr als nur unpassend bewerten lässt.

Obwohl die Serie eine so breite Reichweite hatte und noch immer hat (man siehe einmal wie oft die Serie noch auf einem bestimmten TV-Sender läuft), viel zu sexueller Offenheit in der Medienwelt sowie der Öffentlichkeit beigetragen hat und in vielen Punkten sehr open-minded wirkt, kann man gerade heute, im Jahr 2021, die genannten Beispiele nicht ignorieren.

Meine Meinung: Ich verstehe anhand all dem durchaus die Kritik die nun aufkam, nachdem das Comeback der Serie angekündigt wurde. Ich habe allerdings gleichzeitig eine sehr starke Hoffnung dahingehend, dass die Autoren die damals für ihre Zeit relativ aufklärerische Meilensteine gesetzt haben (neben den ebenso vielen Griffen ins Klo, I know) heute mit der Zeit gegangen sind und verstehen, was sie in einer modernen, heutigen SATC Version „korrigieren“ müssen. Ich bin mehr als gespannt wie die Autoren mit der Kritik umgehen werden und gebe dem Serien-Comeback als nach wie vor großem Fan definitiv eine Chance.

Was aber wichtig bleibt: Der Serie weiterhin mit ausgefahrenen Antennen zu begegnen. Denn auch wenn Sex and the City für viele Menschen eine große Inspiration und Motivation darstellt, tolle Folgen und Momente bietet sowie ein starkes Identifikationspotenzial, muss Kritik stattfinden können. Also sage ich, reflektieren wir, dass die Autoren in der Vergangenheit Großes geschaffen und gleichzeitig viel miese Scheiße gebaut haben. Wenn ich heute jemandem Sex and the City als eine meiner Lieblingsserien empfehle, wird das nicht mehr ohne einhergehende Kritik ablaufen. Aber wie gesagt, die Hoffnung auf ein Einsehen, eine Reflexion sowie Korrektur dieser Fehler ist da.

Über die Autorin


Mein Name ist Frieda Dorothea, ich bin 23 Jahre alt und habe mir vergangenes Jahr mit meinem Blog „Tampon – Der Blog für Weiblichkeit“ einen riesigen Traum erfüllt. Ich liebe es aus der Sicht einer Cis-Frau (wie ich mich identifiziere) über Themen wie Sexualität, Beziehungen, Single-Dasein, Freundschaft Plus, Mental Health und mehr zu schreiben – und dabei auch den Finger in Tabu-Themen oder Unausgesprochenes zu legen. Das Schreiben ist meine Passion, aber ich zeichne ebenso für mein Leben gerne, habe mich der digitalen und analogen Fotografie verschrieben und gehe oft und gerne meiner Funktion als Küchentisch-Psychologin nach. Als Mensch der in der Vergangenheit viel Mobbing erleben musste und sich bereits in der siebten Klasse sagte „Du willst nicht, das irgendwer das spüren muss, was du gerade spürst“ liebe ich es anderen Menschen Trost und Verständnis schenken zu können. Mit meinem Blog versuche ich diese selbstgesetzte Aufgabe aktuell zu verfolgen – mit jeder Menge Liebe und Reflexion.

Dieser Text ist bereits hier erschienen.

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