Generation beziehungsunfähig:Ist das Beziehung oder kann das weg
Er wird's nicht Generation Y

Generation beziehungsunfähig: Ist das Beziehung oder kann das weg?

Ich bin Kölnerin. Im Herzen. Habe Köln zu meiner Wahlheimat gemacht vor ungefähr 5 Jahren. Meine kleine Version hat in einer 100.000 Einwohner-Stadt das Licht der Welt erblickt. Tatsächlich ist meine Geburtsheimat als Großstadt gelistet aber diesen Fakt ignoriere ich gekonnt weg. Wenn ich maximal 10 Minuten von einem Ende der Stadt bis zum anderen Ende brauche, ist es ein verdammtes Dorf. Worauf ich hinaus möchte, ist folgende, für mich festgestellte, Tatsache: Köln lenkt ab. Lenkt ab von Gedanken darüber, ob ich einen Mann im Leben brauche oder nicht. Gehöre ich zur Generation beziehungsunfähig und ist das Beziehung oder kann das weg?

Stichfrage: Gehöre ich zur Generation beziehungsunfähig und was wäre verkehrt daran”?

Existiert ein Wikipedia-Eintrag zur „Generation beziehungsunfähig“? Falls ja, gibt es dort ein Bild von mir, wie ich mal wieder, spül-faul wie ich bin, Wein direkt aus seiner Ursprungsquelle der Flasche trinke. Ich bin zu beschäftigt mit der nächsten After-Hour mit Freundinnen, meinem Job als Eventmanagerin, alle Kölner Weinfeste abzuklappern und damit mein Karnevalskostüm für die nächste Session zu nähen, um mich tiefgründigeren Gedanken zu widmen. Wem soll das nutzen und was ändert es an der Situation?

Weg in die Vergangenheit

So packe ich alle 2 Wochen, wie es sich für eine brave Pastorentochter wie mich gehört, meine Tasche und setze mich in den Zug (ein echter Kölner besitzt kein Auto!) auf den Weg zurück in meine Vergangenheit. Auf meiner steinigen Reise muss ich mindestens einen Drachen bekämpfen, einen Dornröschen-Turm erklimmen, der Glut eines Vulkans ausweichen und, ich schwöre es auf meine Kosmetiktasche, kleine Vögel therapieren, die plötzlich mit mir sprechen können. Möglicherweise übertreibe ich dezent. Die Wahrheit sieht so aus, dass ich dreimal umsteigen muss und meine Fahrtzeit maximal 1 Std beträgt. Je näher die DB (Gott hab‘ sie selig) mich Richtung Heimatdorf trägt, umso kläglicher schwinden die Empfangsbalken meines LTE Netzes dahin. Meine Nase fängt an zu jucken, denn Heuschnupfen kenne ich in Köln nicht. Asphalt, Abgase und Kölsch lösen glücklicherweise noch keine Allergien bei mir aus.

Hotel Mama

Angekommen stelle ich meine Tasche, im für mich hergerichteten Zimmer, ab. Das Bett hat meine Mutter für meine Ankunft bereits frisch bezogen. Manchmal finde ich gefaltete Schwäne aus Handtüchern drapiert auf dem Bett. Hotel Mama in seiner besten Form. Meistens hat mein Bonuspapa ein Sternemenü auf seinem Broilking Grill gezaubert, während Mama und ich unseren Tinto de Verano (=Rotwein, Zitronenschale, Zitronenlimonade) vorbereiten. So setzen wir uns zusammen hin und essen. Manchmal ist noch meine Schwester mit ihrem Freund dabei. Wir bequatschen die üblichen Themen. Das heißt, meine Mutter redet auf mich ein: “Du arbeitest zu viel, du feierst zu viel.”

Ich verstehe wirklich nicht, warum meine Mama so hart mein offensichtliches Talent verkennt.

Seien wir doch mal ehrlich. Der Normalfall sieht doch so aus: Menschen, die zu viel arbeiten, sind viel zu kaputt, um so zu feiern wie ich. Und Menschen, die zu viel feiern, sind meistens Studenten.

Um den Brei tanzen

Die Beschwerden meiner Mutter sind aber meistens nur die Einleitung zu ihrem eigentlichen Lieblingsthema. Ich weiß gar nicht, warum wir jedes Mal um den heißen Brei herum tanzen…ähm…reden. Zu viel Arbeit und zu viel Party ist nämlich immer nur die Überleitung zu “So findest du nie einen Mann”. Die Wahrheit ist, ich finde grundsätzlich sehr viele Männer. Ich finde sie, na ratet mal wo? Auf der Arbeit und auf Partys. Ich weiß, es ist verrückt.

Jetzt kommen wir zum Knackpunkt. Die Frage meiner Mutter setzt voraus, dass ich eine Beziehung suche aber keine finde. Sie setzt voraus, dass man als junge erwachsene Frau eine Beziehung führen sollte, um den Sinn des Lebens zu finden. Sie setzt voraus, dass eine Beziehung zu haben, gut ist und keine Beziehung zu haben, schlecht. Jetzt ersetzt die Person Mama durch “die Gesellschaft” und übertragt es auf alle Single-Ladys und Single-Gentlemen dieser Welt, da habt ihr die “Generation beziehungsunfähig” und ihre verurteilend blickenden Richter.

Was bedeutet das?

Wenn wir als gesamte Generation unfähig sind, eine Beziehung zu führen, bedeutet das, dass die Generation vor uns beziehungsfähig war und die Generation davor noch viel beziehungsfähiger?

Lasst uns eine Zeitreise zu unseren Großeltern machen. Früher war alles besser, oder? Die damalige Rollenverteilung sah vor, dass die Frau sich um den Haushalt und Kinder kümmerte und der Mann arbeiten ging. So standen jeweils die Frau und der Mann, mit den ihnen jeweiligen zugewiesenen Rollen, mit je einem Bein im Leben. Durch die Zusammenführung ihrer Stärken, konnten sie sich nun bequem auf zwei Beinen durch das Leben bewegen. Das war überlebenswichtig. Nachvollziehbar. Hört sich schön an, finde sogar ich. Macht sogar ziemlich viel Sinn, wenn das einzig höhere Ziel, lediglich das reine Meistern des Lebens, ist.

Lediglich? Geht es im Leben nicht darum? Das Leben einfach zu meistern? Sich bequem in die, ihm zugewiesene Rolle, einzufinden?

Klar, so kann man natürlich auch ins Ziel “Tod” kommen. Ich habe da eine kleine Ergänzung: Wie wäre es damit, glücklich in seinen Lebensabend zu gehen?

Worum geht es im Leben?

Versteht mich nicht falsch, ich möchte damit nicht sagen, dass alle unsere Großeltern todunglücklich in ihrer Ehe waren. Aber seien wir mal ehrlich, habt ihr Oma und Opa schon einmal ganz offen gefragt, ob sie noch zusammen wären, wenn die Zeiten damals auch andere Wege zugelassen hätten? Die Wahrscheinlichkeit, dass unsere Großeltern sich deutlich häufiger hätten scheiden lassen, wenn es nicht so verdammt verpönt und schwierig gewesen wäre, liegt sehr hoch. Während die Scheidungsrate in Deutschland vor ca. 60 Jahren bei 10% lag, liegt die heutige Rate bei 30%, zwischendurch sogar bei 50%. Wir dürfen also davon ausgehen, dass die meisten unserer Großeltern noch mehr oder weniger glücklich verheiratet sind. Warum hat sich das aber so drastisch geändert?

Sind die nachfolgenden Generationen also tatsächlich aus dem Nichts beziehungsunfähig geworden oder haben sie sich nur an die veränderten Umstände angepasst?

Rollenverteilung

Ich habe absolut nichts gegen die alte Rollenverteilung. Mutti putzt, Vati ackert? Klingt wunderbar, wunderbar wenn es freiwillig und der Wunsch aller Beteiligten ist. Alles kann, nichts muss, oder? Aber wir haben heutzutage Möglichkeiten bekommen. Denn tatsächlich kann jede Frau heutzutage selbst entscheiden, ob sie ihren Kittel in die Ecke werfen und stattdessen arbeiten gehen mag. Und jeder Mann hat die Möglichkeit Zuhause die Kinder zu hüten, ohne dafür mit Tomaten beworfen zu werden. Und an Möglichkeiten hinzugewinnen, daran kann und darf nichts falsch sein.

Ich bin etwas vom Thema abgedriftet. Oma und Opa sind super und wir lieben sie aber wir waren bei der “Generation beziehungsunfähig”. Ich gehöre also ganz offiziell zum Club der Beziehungsunfähigen inklusive Mitgliedsausweis in Form meiner Lieferando-Treue-Punkte-Karte. Und nun ja, ich denke, dass der Pizzalieferant auch beziehungsunfähig ist.

Mein Background

Hier ein kleiner Background-Check zu meiner Beziehungserfahrung. Ich hatte durchaus mehr oder weniger erfolgreiche Beziehungen. Meine letzte Beziehung war in meinen Mittzwanzigern, also quasi in der besten Zeit meiner Brüste. Das volle 5-Jahres-Programm inklusive Liebe und gemeinsamer Wohnung. Nun bin ich fast genauso lange als Single unterwegs. Worüber ich spreche, weiß ich sehr genau. Ich bin nicht nur eine alte grummelige Hexe, die kleine Kinder frisst und aus ihrem staubigen Fenster auf alle glücklichen Paare schimpft. Ich bin selbstbewusst, lebe selbstbestimmt und bin glücklich mit meinem Leben. Natürlich ist es manchmal etwas chaotisch aber ich meistere es ganz gut, auch wenn meine Mutter immer noch glaubt, ich würde Ende des Monats verhungern.

Meteorit in meiner Atmosphäre

Wenn ich also eine Beziehung eingehe, dann möchte ich, dass sie mich noch glücklicher macht, als ich es sowieso schon bin. Ich werde keinen Mann suchen, UM glücklich zu werden oder irgendwelchen gesellschaftlichen Vorstellungen zu entsprechen. Soll mich der Blitz treffen, wenn ich es nicht hin und wieder vermisse, einen Partner zu haben. Ich meine, dass einfach schon die Aussicht auf regelmäßigen Sex, deutlich, eingekreist, mit drei Ausrufungszeichen auf meiner Pro-Liste steht. Aber ich werde mich niemals, mit einem Mann abfinden, der nicht mindestens wie ein verdammter Meteorit in meine Atmosphäre einkracht.

Erfolgreiches Idol

Auch wenn das einzig Erfolgreiche, was ich in meinem Leben Zustande bringe, die Tatsache ist, dass ich auch nach einer durchzechten Hang-Over-Mädels-Nacht mit dem Promillewert eines polnischen LKW-Fahrers, wie der frische Morgentau aussehe, wage ich zu behaupten, dass ich als erfolgreiche Frau keinen Mann an meiner Seite brauche.

Schauen wir uns mal Daenerys aus dem Hause Targaryen, Erste ihres Namens, Tochter ihrer Mutter, Mutter ihrer Tiere usw. an. Nachdem sie ein ganzes rohes Pferdeherz verspeist hatte um dem dothrakischen Mann mit der Statur eines Gottes zu beweisen, dass sie es Wert ist, von ihm geehelicht zu werden, verstirbt er an einem Wundbrand. An einem Wundbrand! Aber danach startet sie erst richtig durch und macht mit ihren Drachen die Welt platt. Und was passiert, als sie ihr Herz für die Liebe ihres Lebens öffnet und weich wird? Genau, er sticht ihr ein Messer ins Herz. Wortwörtlich und im bildlichen Sinne. Insofern wäre sie ohne Mann besser gefahren bzw. auf ihrem Drachen geflogen. (Was echt cool ist, meine Schildkröte konnte nur fressen und sich von ihrem Stein runterrollen.)

Das Glück steckt in vielen Dingen

Ich möchte einfach nur sagen, seid glücklich. Mit Partner, ohne Partner, völlig irrelevant. Macht euch keinen Druck. Steigt nicht in eine Beziehung ein, nur um der Beziehung willen. Es ist wichtig, dass ihr mit euch selbst klar kommt, Spaß habt, das Leben genießt, Ziele verfolgt, mit euch im Reinen seid, Freundschaften pflegt. Und am allerwichtigsten: Liebt euch zunächst selbst. Selbstliebe wird von so vielen Menschen unterschätzt. Kein Partner kann die Liebe aufwiegen, die ihr euch selbst entgegenbringen müsst. Wenn ihr all diese Punkte für euch abhaken könnt, ist mit euch alles in Ordnung und ihr seid offiziell beziehungsfähig.

So, und ob ich nun wirklich beziehungsunfähig bin oder nur drauf stehe von meinem Schlossturm winkend, auf ein Heer von sich kloppenden liebestrunkenen Prinzen hinab zu blicken, bleibt mein kleines Geheimnis.

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Titelbild: Foto von Євгеній Симоненко von Pexels