Hochzeiten
Gedanken Laut Gedacht

Warum große Hochzeiten nichts über die Liebe aussagen

Ohne Männer oder Frauen in ihre klischeehaften Schubladen reindrücken zu wollen, lehne ich mich wahrscheinlich nicht allzu weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass der große Traum einer Hochzeit in weiß inklusive dem Tamtam mit Hochzeitstorte, üppigen Buffet und aufwendiger Blumendeko eher von den Frauen geträumt wird. Hand hoch, welche Frau sich davon angesprochen fühlt. Meine Hand bleibt unten und damit bilde ich wohl eine Minderheit unter den Frauen. Klassische Hochzeit? Nein, danke!

Klassische Hochzeit? Nein, danke!

Ich kann aktuell nicht sagen, wann genau, sich diese Einstellung bei mir manifestierte. Oder sollte ich besser sagen, wann ich gemerkt habe, dass ich seltsam bin? Soweit ich mich erinnere, war ich nie die große Hochzeitsträumerin. Ich konnte es mir gut vorstellen, zu einem späteren Zeitpunkt klassisch Hochzeit zu feiern aber konkrete Pläne hatte ich nicht. Meine radikalere Anti-Haltung kam definitiv etwas später, ungefähr zu meiner Zeit als Hochzeits- und Eventplanerin. Das mag eine seltsame Berufswahl für eine bekennende Anti-Romantikerin zu sein, das gebe ich zu. Aber ein DHL-Paketbote muss auch kein leidenschaftlicher Onlineshopper sein, um seine Pakete pünktlich auszuliefern und der Kindergartenbetreuer muss auch keine eigenen Kinder haben, um seine Kindergartentruppe pädagogisch wertvoll in Schach zu halten.

Vor einigen Wochen saß ich mit einigen Freundinnen bei mir Zuhause bei einem Spieleabend und das Thema Hochzeit kam auf den Tisch. Einige meiner Freundinnen waren überrascht, als ich sagte, dass ich kein weißes Kleid auf meiner Hochzeit tragen werde (Ich mag kein weiß), meine Haare nicht hochgesteckt sein werden (Warum trage ich jeden Tag wohl offene Haare? Na? Weil es mir gefällt), es mit Sicherheit keine Hochzeitstorte geben wird (Ich bin einfach nicht der süße Typ) und ich keinen Ehering tragen werde (Ich bin normalerweise mit Schmuck behangen wie ein Weihnachtsbaum aber Ringe erdrücken mich).

Wenn es dir gefällt, solltest du einen Ring darauf setzen

Ich erkläre mal die Gründe, weswegen ich gegen die klassische Hochzeitsfeier bin und wie meine Erfahrungen als Hochzeitsplanerin mich in meiner Haltung noch bestärkt haben.

Songtext Beyonce – All the single ladies:

Cause if you liked it then you should have put a ring on it
If you liked it then you shoulda put a ring on it
Don’t be mad once you see that he want it
If you liked it then you shoulda put a ring on it

Dieser Song, der gespielt im Club alle Damen dazu bringt, ihre Hände in die Höhe zu strecken und auf den Ringfinger zu zeigen, lässt sich recht leicht ohne viel Spielraum interpretieren. Wenn es dir gefällt, solltest du einen Ring darauf setzen. Viele mir bekannte Frauen empfinden den Ring am Finger tatsächlich als den Start für das richtige Leben. Als Start für einen Karrierestatus von girlfriend zu wifey-to-be zu wifey zu mommy-to-be und letztendlich wifey and proudest mommy on earth. Der Ring am Finger ist nicht einfach nur mehr ein Edelmetallstück in Form eines Donuts, sondern steht symbolträchtig für die Einstellung „Seht her, seht ALLE her! Ich bin vergeben. Jemand will mich und das sein ganzes verdammtes Leben lang.“.

Hochzeiten als Inszenierung der Liebe

Anträge im kleineren familiären Kreis sind nicht akzeptabel, sondern müssen instagramkonform inszeniert werden. Schliesslich möchte man der Welt zeigen, wie sehr sich ein anderer Mensch um einen bemüht hat. Dann geht es in die Planung, Locationsuche, Termin blocken, 2 Jahre im voraus versteht sich, Save-the-Date Einladungen bestellen, die endgültigen Einladungen bestellen, Blumendeko im individuellen Vintage Stil auswählen, Brautkleid kaufen etc.

Mich stört nicht die Hochzeit, mich stört die Inszenierung dieser

Was mein Problem bei der Sache ist, wird man sich bestimmt fragen. Zunächst habe ich gar kein Problem mit dem Heiraten und Hochzeiten als solche. Im Gegenteil, ich könnte mir durchaus vorstellen, selbst zu einem passenden Zeitpunkt zu heiraten. Mich stört nicht die Hochzeit, mich stört die Inszenierung dieser. An dieser Stelle starte ich keine Verallgemeinerung aber ich weiß aus Erfahrung, wie die Mehrheit dieser Hochzeitsplanungen ablaufen, dementsprechend habe ich eine Meinung dazu.

Was wünscht ihr euch eigentlich selbst?

Einer meiner meist gesagten Sätze während diverser Hochzeitsplanungen lautete nicht umsonst: „Was wünschen SIE sich denn?“. Wir sprechen hier von 5-stöckigen Hochzeitstorten obwohl das Brautpaar keine Torte mag. Wir sprechen von riesigen Feuerwerken, um das befreundete Ehepaar Anna und Simon zu übertrumpfen. Wir sprechen von einem Buffet, das hauptsächlich den Wünschen von Tante Hildegard entspricht, denn diese mag kein rosa-gebratenes Rinderfilet, sondern lieber Kroketten.

Wir sprechen davon, dass das Brautpaar entscheidet, alleine an einem Tisch zu sitzen, um niemanden mit der Wahl der Tischpartner auf die Füße zu treten. Wir sprechen davon, dass es keine Longdrinks geben darf, weil Schwiegervater Herbert sich sonst ins Jenseits schießt. Und als kleiner Funfact nebenbei: Der Mann hat in der Planung selten auch nur im Geringsten etwas zu melden.

So wird die eigene Hochzeitsfeier zum Inszenierungsdesaster.

Den aufgeführten Beispielen könnte ich noch 100 weitere hinzufügen. So wird die eigene Hochzeitsfeier, der Tag, der für die Liebe, das Vertrauen, die gemeinsame Vergangenheit und die bevorstehende Zukunft steht, zum Inszenierungsdesaster mit einem minutiös geplanten Tagesablauf, der den Klogang der Braut einkalkuliert aber nicht den Spaß an der Feier, der Liebe und dem Zusammenkommen von Familie und Freunden.

Welche Antwort ich von den meisten Brautpaaren nach der Feier, auf meine Fragen hin, ob sie eine schöne Feier hatten, war, dass sie kaum etwas mitbekommen haben und sich auf die Fotos freuen um sich den Tag nochmals in Erinnerung zu rufen. Und das lag weniger daran, dass der Rausch vom Fest noch so lange nachhing. Sondern vielmehr daran, dass das Brautpaar in seinem durchgetakteten Planungswahnsinn tatsächlich am wenigsten dazu kam, die Feier zu genießen.

Lets talk about money

Wenn ich mich bis hierhin noch nicht komplett zur Antiromantikerin gemacht habe, dann setze ich noch einen Fakt gegen pompöse Standardhochzeiten in den Raum: die Kosten. Es ist kein Geheimnis oder Insiderwissen von mir, dass eine Hochzeitsfeier mit ca. 50 – 100 Gästen zwischen 15.000 und 20.000 € kostet. Ich erinnere kurz nochmals daran, worüber wir hier sprechen. Wir sprechen von einem Tag oder besser gesagt von ca. 8 – 10 Stunden eines Tages in unserem Leben. Im Schnitt kostet eine Hochzeitsfeier, wenn wir es ganz stumpfsinnig kalkulieren ca. 2000 € / Std. Und ja, die Stunde, in der der witzige und allseits beliebte „Ehetauglichkeitstest“ gespielt wird, auch.

Was zur Hölle denkt ihr euch dabei, für ein Kleid knapp 1500 € hinzublättern?

Die Hochglanzplatzkarten mit goldener Prägeschrift, welche nach der Feier im Müll landen, die Gastegeschenke, vorzugsweise Mandeln in Tüllbeutel, welche mit Sicherheit von keinem der Gäste in die Wohnzimmervitrine gestellt werden und der „DJ“, Alleinunterhalter Herbert aus Göttingen, sind in der Kalkulation bereits inbegriffen. Und nun um die Illusion komplett zu zerstören: das Brautkleid. Ich zweifle und appeliere nun zeitgleich an den Verstand jeder Braut: Was zur Hölle denkt ihr euch dabei, für ein Kleid (Ich erinnere nochmal kurz daran, dass das Kleid in seiner ganzen Existenz 8 Stunden Ruhm bekommt) knapp 1500 € hinzublättern?

Je größer desto besser?

Aber natürlich, es geht um die Hochzeitsfeier. Es geht darum, dass es der Tag ist. DER Tag! Der wichtigste Tag im Leben einer Frau (und vielleicht auch ihres Mannes, aber das ist hier nebensächlich). Aber es geht nicht nur um den Tag. Es geht um gesellschaftliche Erwartungen und Inszenierungen. Die Inszenierung darüber, dass die größte, kitschigste und teuerste Hochzeit selbstredend der Beweis schlechthin für die ewige gegenseitige Liebe ist. Mir fallen ad hoc ungefähr 1000 schönere, wertvollere, langfristigere, lustigere und sinnvollere Möglichkeiten ein, sein Geld zu verbrennen und ich weiß, dass ich mich mit dieser Meinung allein auf weiter Flur befinde.

Konzentriert euch auf die Momente und Menschen, die wichtig sind.

Auch wenn es so klingt, ich möchte Hochzeiten nicht per se verteufeln. Ich möchte lediglich an alle wifeys-to-be appellieren: Macht den Tag zu eurem Tag mit den Menschen, die ihr liebt, die euch lieben und feiert eure Liebe. Konzentriert euch auf die Momente und Menschen, die wichtig sind. Vielleicht werden einge merken, dass das ganze aufhübschende Beiwerk nicht zwangsläufig dazu führen wird, die Liebe, das Vertrauen und die gemeinsame Zukunft zu festigen, sondern eher ablenkt und blendet, am meisten sich selbst. Liebe ist kein Wettbewerb. Liebe braucht keine Inszenierung. Liebe ist echt oder eben nicht.

Ob ich heiraten werde? Wer weiß. Ich kann es mir vorstellen. Wie meine Hochzeitsfeier aussehen wird? Das bleibt mein Geheimnis. Eins kann ich verraten: Es wird ein wunderschöner Tag ganz unter dem Zeichen der Liebe sein.

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Titelbild: Foto von Daria Shevtsova von Pexels