Abtreibung
Gedanken Laut Gedacht

Abtreibung – und dann?

VON GAST

Das Thema Abtreibung begleitet mich schon seit vielen Jahren. Es hat einige Zeit gedauert, bis ich meine Stimme gefunden habe, um auch öffentlich darüber zu reden. Eine Schwangerschaft ist für die Einen ein absoluter Traum, für die Anderen der Horror, manche geraten dadurch in scheinbar ausweglose Lebenssituationen und wieder andere haben noch keinen Gedanken daran verschwendet. Ich möchte auf meinem Blog genau solche Themen behandeln, denn auch ich war ungewollt schwanger und hätte mir jemanden gewünscht, der mich versteht und wäre es eben nur virtuell gewesen.

Aus diesem Grund erzähle ich hier meine Geschichte, ungeschönt. Deswegen auch eine Vorwarnung: Es liest sich wie ein Horrortrip und das war es stellenweise auch. Es geht um die Widersprüchlichkeit von Gefühlen, Ängsten, darum, sich alleine zu fühlen, um unsensible Menschen… Aber auch darum, dass es weitergeht und dass man sich selbst helfen kann, auch wenn es erstmal hoffnungslos scheint. Es ist mir sehr wichtig zu sagen, dass ich hier meinen persönlichen Erfahrungsbericht schreibe. Ich bin keine Therapeutin und meine Erfahrungen decken sich nicht mit allen anderen dieser Welt. Bitte seht diesen Bericht nicht als Ratgeber. Mit meiner Geschichte möchte ich klar machen, wie unterschiedlich die Gründe für einen Abbruch sein können und dass hinter jeder Abtreibung eine Frau mit einem eigenen Leben steht. Zu oft stellt man Frauen als Menschen dar, denen Leben nicht wichtig ist. Als hätten sie einen Fehler gemacht und wollten die Konsequenzen nicht tragen und vor allem, als könnten sie einfach mal schnell zum Arzt gehen, abtreiben und dann auf die nächste Party galoppieren. Kaum jemand sieht, was wirklich hinter dieser Lebensentscheidung steht.

Die ungeschönte Geschichte

Für mich stand schon immer fest: Ich will keine Kinder. Als ich selbst noch klein war, habe ich mich beim Spielen mit Freundinnen geweigert eine Mutter zu spielen. Ich war lieber eine Schwester oder die coole Freundin der Mutter. Als ich älter wurde und mir immer öfter gesagt wurde, dass dieser Kinderwunsch schon noch kommen würde, wenn ich mal „den richtigen Mann“ treffe und die innere Uhr Alarm schlägt, hat mich das rasend vor Wut gemacht. 

Gegen Ende meiner Ausbildung, ich befand mich mitten in den Prüfungsvorbereitungen, war mir ständig schlecht. Mein Kopf hat sich angefühlt, wie eine tickende Zeitbombe, die jeden Augenblick hätte losgehen können. Ich war müde und hab mich krank gefühlt. Das hat mich nicht weiter gewundert, denn ich habe wahnsinnige Prüfungsangst und hatte auch früher in der Schule vor wichtigen Arbeiten regelmäßig im Voraus schon ähnliche Symptome. Dass ich meine Periode nicht bekam war auch nicht weiter auffällig, denn auch das war bei mir, damals noch trotz Pille, in Stresssituationen üblich. 

Doch als ich anfing mich jeden Morgen zu übergeben, haben mein Freund und ich eben doch mal einen Schwangerschaftstest besorgt. Viele Frauen kennen das, oder? Man weiß, dass es nicht sein kann, weil man aufgepasst und verhütet hat, aber es gibt so einen Zeitpunkt, wenn der Zyklus spinnt, wo man dann eben zur Beruhigung doch mal in die Drogerie rennt und den Test kauft. Der dann immer negativ ist. Ich dachte, das wird eine dieser Situationen. Ihr ahnt es schon: Falsch gedacht! 

Mein Test war positiv und zwar sowas von eindeutig. Du schaust auf das angepinkelte Stäbchen und die lustigen rosa Striche. Der Moment, in dem Du Dich freuen solltest. Was in mir vorging, war etwas ganz anderes. Es war die pure Panik, ich bin völlig zusammengebrochen und alles in mir hat „Nein“ geschrien. Ich hatte Angst und das erste Mal in meinem Leben habe ich gehofft, dass ich gerade nur träume. Ich wollte es durch pure Willenskraft ungeschehen machen. Die Tatsache verdrängen. Für diese Gedanken hab ich mich gleichzeitig geschämt und Schuld empfunden. Ich habe mich alleine verantwortlich gefühlt. Alles daran war meine Schuld. 

Mein Freund, mit dem ich zusammen gewohnt habe, war in der Küche und hat gekocht. Ich bin damit sofort zu ihm gegangen. Ehrlich gesagt, kann ich mich nicht an seine genaue Reaktion erinnern, weil ich so neben der Spur war, aber ich weiß, dass er keine Freudensprünge gemacht hat. Wir waren zu dem Zeitpunkt noch nicht sehr lange zusammen, er wusste aber, dass ich keine Kinder möchte. 

Man sollte meinen, dass es direkt klar war, dass ich dieses Baby nicht bekommen werde. So leicht ist es aber dann nicht immer. Kopf und Herz laufen eben meist nicht im Gleichklang und wenn Du gerade erfährst, dass Du Leben in Dir trägst und dessen Existenz von Dir abhängig ist, kommst Du mehr als nur ins Grübeln. Am nächsten Tag habe ich den Frauenarzt angerufen. Die Arzthelferin wollte mir einen Termin einige Wochen später geben. Das war das erste Mal, dass ich aussprechen musste, dass ich nicht wirklich vorhabe das Kind zu behalten. So bekam ich also einen schnelleren Termin. Schule, Job, Prüfungsvorbereitung, Schwangerschaft, Termine. Innerlich hat es sich angefühlt, als würde ich vor einer leeren Wand stehen und könnte mich keinen Millimeter bewegen, obwohl ich es müsste. In meinem Leben war absolutes Chaos.

Anvertraut habe ich mich zunächst sehr wenigen Menschen. Ich hatte Angst vor der Enttäuschung meiner Familie, vor Vorurteilen, davor mich rechtfertigen zu müssen, egal, wie ich mich entschieden hätte. Ich hatte absolut keine Kraft für die Emotionen der Anderen. Es war schon schwierig mit den Wenigen, die davon wussten. Jeder hatte eine andere Meinung und helfen konnte mir so oder so keiner. Ich hab mir jemanden gewünscht, der mir sagt, was zu tun ist. Aber das funktioniert so leider nicht. Damit war ich alleine. 

Der Schwangerschaftsabbruch

Der Tag meines ersten Arzttermins kam. Eine Untersuchung inklusive Ultraschall. Zu dem Zeitpunkt hatte ich glücklicherweise einen ganz wunderbaren Arzt, der mich sehr unterstützt hat und bei dem ich nicht das Gefühl hatte, er würde mich verurteilen oder in eine bestimmte Richtung drängen wollen. Er hat meine Fragen beantwortet und mir Zeit gegeben. Das, meine Lieben, ist ein absoluter Glücksfall. Es gibt da auch ganz andere Geschichten. In dieser Zeit musste ich regelmäßig ein sehr starkes Medikament einnehmen, das gesundheitsgefährdend für das Baby hätte sein können. Allerdings gab es einen Test, den man schon früh machen konnte, um festzustellen, wie „verseucht“ mein Blut davon war und wie die Prognose für das Kind wäre. Dem Test habe ich zugestimmt, weil ich gehofft habe, dass mir der Arzt offiziell zu einem Abbruch rät, wären die Ergebnisse erstmal da. Das war nicht der Fall, mein Blut war ok. Hört sich verrückt an, oder? Bestimmt denkt sich der Ein oder Andere „Sie hätte doch merken müssen, dass sie das Baby nicht will“. 

Ich wusste es auch. Das änderte nichts daran, dass ich mich verantwortlich gefühlt habe. Ganz ehrlich: Ein medizinischer Grund hätte einen leichteren Ausweg geboten. Es wäre eine bessere Begründung gewesen als nur zu sagen „Ich will eben keine Kinder“. Als ich beim Arzt war, bestand die Schwangerschaft schon einige Wochen. Auf dem Ultraschallbild war eine kleine Perle zu sehen und ich sollte auch noch die nächsten Wochen mit diesem Lebewesen verbringen. Das musste ich, denn nochmal: Meine Prüfungen standen vor der Tür und ich wusste nicht, was dieser Abbruch evtl. mit mir anstellen würde, denn natürlich habe auch ich von den Hormonveränderungen gelesen und davon, wie Frauen nach der Abtreibung zusammenbrechen können. Also wollte ich erst meine Ausbildung zu Ende bringen. 

Als nächstes bekam ich von meinem Gynäkologen die Adresse eines anderen Arztes, der mir weiterhelfen sollte. Ärzte, die Schwangerschaften beenden findet man nämlich nicht einfach so im Netz, sie dürfen für diesen „Service“ nämlich nicht „werben“. Es ist so verrückt, wie es klingt. Bevor ich einen Termin bei diesem Arzt machen konnte, musste ich aber erst zu meinem Hausarzt und meine Blutgruppe bestimmen lassen. Dann musste ich zur Krankenkasse, persönlich, denn per Telefon „konnte“ mir nicht geholfen werden. Dort musste ich nochmals einer wildfremden Person in einem Großraumbüro sagen, worum es geht, meine Kontoauszüge und Arbeitsvertrag vorlegen, um prüfen zu lassen, ob ich für meine Entscheidung selbst zahlen kann oder die Kosten durch die Kasse übernommen werden. Es war demütigend. Danach musste ich zu einer Schwangerschaftsberatungsstelle und nochmal darüber reden, als wären mir meine Optionen nicht klar gewesen. 

Nach den Ferien kam ich zurück in die Berufsschule für die letzten paar Tage der Vorbereitung. Was ich antraf, war nicht eine, sondern gleich zwei sichtbar schwangere Mitschülerinnen. „Oh wie schön! Du freust Dich bestimmt! Wie weit bist Du? Junge oder Mädchen? Wann heiratet ihr? Ich freu mich ja so für Dich“. Mittendrin saß ich und hätte schreien können. Ich wollte mich auch so freuen. Für meine Beziehung war es sehr schwer. Ich war extrem wütend auf meinen Freund, manchmal aus Gründen, die gar keinen Sinn ergeben haben. Weil er sich z.B. nicht gefreut hat, dabei habe ich mich selbst überhaupt nicht gefreut. Aber auch weil wir nicht richtig darüber geredet haben. Weil ich nicht wusste, was er eigentlich will. Weil er irgendwann, als ich schon längst meine Entscheidung alleine getroffen hatte, endlich mal gesagt hat, dass es der falsche Zeitpunkt ist. Ständig war er beruflich weg. Er war da, aber nicht richtig. Ich hatte das Gefühl, er harrt einfach aus, bis es vorbei ist. 

Jahre später haben wir übrigens darüber gesprochen und festgestellt, dass er das ganz anders sieht und auch andere Erinnerungen an diese Zeit hat, als ich. Er wollte mir helfen und für mich da sein. Ich denke, es ist für den Partner sehr schwer zu wissen, was er tun soll. Nicht mal ich wusste, was er hätte tun können. Alles war falsch. Beide waren überfordert. Getrennt haben wir uns am Ende deswegen nicht, aber für mich gab es definitiv lange Zeit einen Bruch. Wir haben während der Schwangerschaft versucht, auch schöne Dinge zu unternehmen. Einmal waren wir in seinem beruflichen Umfeld unterwegs, offiziell wusste keiner von meinem Umstand, aber wie das so ist… Inoffiziell wusste es irgendwie gefühlt jeder. Wie es der Zufall will, war auch ein Paar mit einem Baby dort und hatte nichts Besseres zu tun, als dieses Baby meinem Freund in die Arme zu drücken und ich stand nebendran. Ich war so wütend, die Menschen wussten gar nicht, was sie mir damit gerade antun, welche Grenze sie da gerade überschreiten. 

In der 12. SSW, also zum letztmöglichen Zeitpunkt, war dann der Termin beim Arzt. Wochen der Übelkeit und des Kopfschmerzes lagen hinter mir. Es war schwer. Wir saßen im Wartezimmer, ich hatte 3 Monate mit meinem Kind verbracht und auch immer wieder mit ihm geredet in der Zeit. Das geschah ganz automatisch. Ich hatte eine Beziehung zu diesem kleinen Lebewesen aufgebaut. Als ich aufgerufen wurde, kam ich erst zur Anästhesistin, die mich über die Narkose aufklärte. In diesem Stadium ist eine Tablette nicht mehr ausreichend, um einen Abgang herbeizuführen. Der Fötus muss in einem operativen Eingriff mit einer Maschine abgesaugt werden. 

Nach dem Gespräch kam ich zu dem Arzt, der den Eingriff schließlich durchführen sollte. Worauf ich nicht vorbereitet war: Es wurde noch ein Ultraschall gemacht. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob das alle Ärzte so machen, um die Entscheidung der Frau zum wiederholten Mal zu prüfen oder ob dieser Arzt besonders unsensibel war. Nett war er jedenfalls nicht, zu keinem Zeitpunkt. Auf dem Bild war nun keine Perle mehr zu sehen, sondern ein kleiner Mensch. Mir war schlecht, mit meinem Herz blieb auch die ganze Welt stehen. Ich habe es gesehen und dachte „Das ist mein Kind. Was mache ich hier?“. Mein Freund war dabei und ich habe kurz gehofft, dass er mir irgendein Signal gibt und wir einfach nach Hause fahren. Doch so war es nicht und auch ich habe nichts gesagt, denn tief im Innern wusste ich, dass ich nicht Mutter werden will. 

Als ich auf dem OP Tisch lag, bekam ich eine Spritze, davon hat mein Arm höllisch gebrannt und ich hatte Schmerzen, ich habe gesehen, wie sich der Arzt zwischen meine Beine setzt und gehört, wie die Maschine angeht. Ich hatte große Angst, dann wurde schon alles schwarz. Ich lag noch auf dem OP Tisch, als ich geweckt wurde. Ich habe keine Luft bekommen und alles was ich dann für lange Zeit machen konnte, war schreien, wirklich schreien, und weinen. Mein Freund war dann mit mir in einem winzigen Raum, in dem man richtig zu sich kommen sollte, ein Aufwachraum. Ich musste mich übergeben, ich hatte Schmerzen. Der Arzt kam nicht nochmal, um nach mir zu sehen. Keine Ahnung, wie lange ich dort war, doch irgendwann hat uns die Arzthelferin gesagt, dass wir gehen müssen. Ich konnte mich nicht mal alleine anziehen und war völlig verstört. Schuldgefühle haben an mir genagt und ich habe mich selbst verurteilt. Dass ich nicht noch in der Praxis bleiben durfte, bis es mir besser ging, gab mir das Gefühl, dass ich es nicht besser verdient habe. 

Auf der Fahrt nach Hause lief ein Song von Linkin Park. „Until it`s gone“, vielleicht kennt Ihr ihn. Das Leben hat mich verspottet, so hat es sich zumindest angefühlt. Es ging viele Wochen so. Am schlimmsten war, dass ich mich selbst gequält habe, indem ich den ganzen Tag im Internet gelesen habe, wie weit ein Baby in der 12. SSW ist. Was es kann, wie groß es ist,… Meine Schwester und meine Mutter haben versucht für mich da zu sein. Das waren sie auch wirklich, aber sie konnten nichts gegen diesen Schmerz machen. Ich habe getrauert und habe es mir selbst übelgenommen. Wie konnte ich mir einbilden trauern zu dürfen? Es war doch meine Entscheidung. Tagelang lag ich einfach im Bett und wollte nichts mehr fühlen. Dieses Erlebnis hatte mich traumatisiert und ich hatte nicht das Gefühl mit jemandem darüber sprechen zu können. Niemand hätte es verstanden. Dazu kam, dass ich nicht aufhörte zu bluten und große Schmerzen hatte. Also gingen wir nochmal zum Arzt, der im Ultraschall gesehen hat, dass ich einige Blutergüsse von der Maschine in der Gebärmutter hatte. Dass so etwas passieren kann, wurde mir im Voraus auch nicht gesagt.

Langsam musste ich mich wieder in den Griff bekommen und für meine mündlichen Prüfungen lernen, die ein paar Wochen nach den Schriftlichen stattgefunden haben. Druck von allen Seiten, als würde ich ersticken. Doch ich habe es geschafft, bin zu der Prüfung, hab bestanden, bin einer der anderen Schwangeren über den Weg gelaufen, bin losgezogen, um mich zu betrinken. Eine ganze Zeit war es in mir sehr finster. Außerdem hatte ich plötzlich einen extremen Kinderwunsch. Ich konnte an nichts anderes mehr denken, das ging fast 1,5 Jahre so. Vor allem habe ich es nicht ertragen in einem Raum mit anderen Frauen zu sein, die gerade ein Kind erwarteten.

Abtreibung – und dann?

Nun, das alles hört sich an, als hätte ich dieses Baby mal besser bekommen sollen, oder? Ich kann heute voller Überzeugung sagen: Nein. Alles war genau richtig so. Ja, ich hätte das Baby geliebt und ich wäre bestimmt auch eine liebevolle Mutter gewesen. Doch ich war nicht bereit für ein Kind in meinem Leben. Es gab so viel, was ich mit mir selbst zu regeln hatte. Auch heute ist es noch so, dass ich absolut gar nichts mit Kindern anfangen kann. Ich habe kein Interesse an ihnen und es fällt mir schwer mit ihnen umzugehen, ausgenommen meine Nichte, die inzwischen erwachsen ist, und die Tochter meiner besten Freundin. Klar wäre es bei meinem eigenen Kind was anderes und zwar zu 100%. Trotzdem habe ich seit diesem Zeitpunkt eine wichtige Reise gemacht, die ich alleine machen musste. Volle Konzentration auf mich. Ich hätte keinen Job annehmen können nach der Ausbildung und somit wäre auch meine finanzielle Lage schwierig gewesen. Die Welt hat sich für mich weitergedreht und zwar in gute Richtungen.

Frauen sind einem unglaublichen Druck ausgesetzt, stehen sie vor dieser Entscheidung. Man macht sich Gedanken um die Beziehung, die man führt. Hält sie das aus? Was ist wichtiger? Oder man weiß vielleicht gar nicht, wer der Vater ist und spürt die Verachtung dafür in jedem Raum schweben. Ist man ein schlechter Mensch, wenn man abtreibt? Darf man das Baby lieben? Darf man trauern? Darf man überhaupt an spätere Kinder denken, wenn man sich einmal bewusst gegen eins entschieden hat?

Man hat mit üblen Vorurteilen zu kämpfen, was einen schnell sehr einsam in dieser Lebenslage zurücklässt. Der Mann wird damit eher nicht behelligt. Man fühlt sich bei dem Gehetze zu den Pflichtterminen wie auf dem Weg der Schande. Suchst Du im Internet nach Hilfe, gelangst Du sehr schnell auf Seiten von Abtreibungsgegnern, die Schwangerschaftsabbrüche mit dem Holocaust vergleichen, schreckliche Bilder online stellen und Frauen verteufeln, die diese Entscheidung getroffen haben. Es gibt viele Quellen der Traumatisierung, aber kaum Hilfreiches und Tröstendes. Man steht unter Zeitdruck und oft steht man da ganz alleine. Betroffene können sich nicht über gute Ärzte informieren, sobald es darum geht und auch heute sagt unser Gesetz noch, dass wir eine Straftat begehen, sollten wir die Schwangerschaft abbrechen. Außerdem wird einem oft der klare Menschenverstand abgesprochen, als wüsste man nicht, was man da tut. Abtreibungsgegner wollen einem das Recht auf Selbstbestimmung nehmen. 

Es ist sehr schwer jemandem einen Rat zu geben, der gerade entscheiden muss, ob er ein Leben in die Welt setzen möchte oder nicht, denn jede einzelne Situation muss individuell betrachtet werden. Es gibt nicht das eine Schema, nach dem alles verläuft. Die Ärzte sind unterschiedlich, das Alter der Frauen variiert, die Lebensumstände, einfach alles. Würde mich heute trotzdem jemand nach meinem Rat fragen, würde ich ihm sagen, dass nur das eigene Gefühl zählt. Willst Du das Kind, bekomm es und zwar egal, was andere davon halten. Möchtest Du es nicht, bist Du keinem Rechenschaft schuldig. Du brauchst keinen „guten Grund“. Du darfst traurig sein. Du darfst wieder schwanger werden. Du kannst darüber reden, musst es aber nicht. Verurteilt oder beschimpft Dich jemand für Deine Entscheidung, musst Du ihm nicht zuhören, das ist SEINE Angelegenheit, nicht Deine. Dir muss es nicht schlecht gehen. Wenn Du Dich nach einer Abtreibung gut fühlst, dann ist es ok und nicht schräg oder gefühlskalt. Es ist wichtig mit dem Partner darüber zu reden, aber er hat nicht das Recht, Dich zu manipulieren. Möchtest Du keine Mutter sein, musst Du keine werden. Du darfst Dich für Dich entscheiden. Wenn es Dir sehr schlecht geht nach dieser Erfahrung, bist Du es wert Hilfe zu bekommen. 

Tatsächlich habe ich selbst keine professionelle Hilfe in Anspruch genommen. Erst habe ich mich von Tag zu Tag gehangelt, habe viel geschrieben und dafür sogar ein extra Notizbuch gekauft, das ich heute immer noch für andere Dinge benutze. Ich habe ein Tattoo, das mich daran erinnert. Was meine seelische Heilung allerdings am meisten vorangetrieben hat, war die Entscheidung, kein Geheimnis mehr aus meinem Erlebnis zu machen, nur weil es anderen unangenehm ist darüber zu sprechen. Zu sehen, wie ungerecht Frauen auf der ganzen Welt behandelt werden, macht mich so wütend, dass ich es auf gar keinen Fall unkommentiert lassen will. Es muss normal werden über solche Themen zu sprechen, ohne sich seelisch und auch physisch in Gefahr zu begeben. 

My body, my choice. Es ist das Recht jeder Frau, sich gegen eine Schwangerschaft zu entscheiden. Dafür müssen wir einstehen und vor allem müssen wir für mehr Unterstützung, Aufklärung und Schutz sorgen. 

Titelbild: Foto von RODNAE Productions von Pexels

Über die Autorin


Mareike aka Der Otter ist immer auf der Suche nach Abenteuern und versucht nebenbei die Welt zu retten oder wenigstens ein Stückchen besser zu machen. Auch mit 30 Jahren ist sie noch nicht ganz angekommen und sucht manchmal etwas chaotisch ihren Weg, aber das ist ok für sie. Außer an den Tagen, an denen es nicht okay ist, aber die sind zum Glück selten 😀 Glücklich machen sie Musik, ihre Katzen, Essen, Reisen und das Schreiben. Texte zu verfassen hilft ihr, Dinge zu verarbeiten, die richtigen Worte für ihre Gefühle zu finden, sich mitzuteilen. Deswegen schreibt sie meistens nur über das, was sie wirklich bewegt. Menschen gehen mir oft auf die Nerven, aber die, die sie mag, wissen das ganz genau ?

Dieser Text ist bereits auf ihrem Blog The Badass Otter veröffentlich worden.