Das Häufchen abziehen
Er wird's nicht Küsse & Tränen

Das Häufchen abziehen (Teil 3)

Kommen wir zum letzten Teil vom Beitrag „Wo ist das Häufchen?“. In diesem Beitrag geht es darum, das Häufchen endlich abziehen zu können, denn ich habe es gefunden.

Ich explodierte am Telefon. Da ignorierte mich der Mann über Tage. Der Mann, mit dem ich “zusammen” war. Der Mann (40+ Jahre alt, Schultern wie ein Schrank, Blick eines Engels, bestens vertraut mit den 10 Geboten) ignorierte mich. Zusätzlich hatte er nicht den nötigen Respekt mir zu sagen, was sein Problem war. Da nahm er erst das Telefonat entgegen, als er die Nummer nicht kannte. Unterste Schublade … kellertief.

Hölle, Feuer und Lava

Ich schnauzte ihn an, sobald ich ihn dran hatte. Ohne Punkt und Komma. Korrekt wie ich bin, warnte ich ihn direkt zu Beginn. Sollte er auflegen, würde ich ihm das Leben zur Hölle machen. Wie die Polizei, die vor der Festnahme warnt. Alles, was Sie sagen kann und wird gegen Sie verwendet. Er ließ das Feuer kurz über sich ergehen. Fragte dann, ob er mich in 30 Minuten anrufen könne, weil er noch nicht Zuhause sei. Ich wies ihn nochmals daraufhin, was ihn erwarten würde, wenn er mich nicht innerhalb der nächsten 30 Minuten anrief. Hölle, Feuer, Lava, das volle Unterwelten-Programm halt. Und nur für den Fall, dass er denken könne, ich würde ihn heile aus dieser Nummer lassen.

Alles, was Sie sagen kann und wird gegen Sie verwendet.

Er rief mich 30 Minuten später an. In der halben Stunde hatte ich den Teufel von meiner Schulter geschnippt und mich beruhigt. Ich sagte in völliger Schlichtheit: “Erklärs mir.” Zur Erinnerung: 40+, Schultern wie ein Schrank quasselte in Kleiner-Junge-Tour, dass es ihm leidtue. Meine Nachricht, nach seiner “Ich-stelle-mich-tot-in-Hamburg-Nacht”, habe ihn so irritiert. Er habe das Gefühl gehabt, ich habe ihm das Schlimmste unterstellt und misstraut. Damit sei er nicht klargekommen und mir aus dem Weg gegangen. Die Nachricht also in der ich ihm schrieb, dass ich mich noch gefreut hätte, von ihm zu hören. Diese Nachricht hatte seine heile Welt zu Fall gebracht? “Wahnsinn” dachte ich mir. “Zart besaitet” ging mir auch durch den Kopf. “Wen hast du dir denn da an Land gezogen?” fragte ich mich. “Das kann nicht sein Ernst sein!” stellte ich fest. Allerdings nahm er mir damit auch den gesamten Wind aus den Segeln.

Klare Worte, Harmonie und verbale Messerstiche

Ich versuche immer eine Balance zwischen klaren Worten und Harmonie zu finden. Tatsächlich war ich aber eigentlich bei dem Telefonat auf Streit aus gewesen. Wer wäre das an meiner Stelle nicht? Ein bisschen Schreierei, ein paar (verbale) Messer nach ihm werfen und dann ist alles auch wieder gut.

Packte meine innere Mariah Carey weg und holte Selena Gomez hervor.

Aber ich hörte das Flackern der Neon-Beleuchtung seines Heiligenscheins durch das Telefon. Und das nahm mir natürlich den Wind aus den Segeln, was mich tatsächlich auch ärgerte. Wie gesagt, ich hatte vor gehabt, meiner Wut ein Ventil zu geben. Das Telefonat sollte nicht nett werden. Ich wollte nicht wieder die Nette sein. Aber was blieb mir übrig? So schaltete ich von Gang 12 wieder in den 1. Packte meine innere Mariah Carey weg und holte Selena Gomez hervor. Der kleine Engel auf meiner Schulter flatterte mit seinen kleinen weißen Flügelchen und hüpfte aufgeregt umher. Dämlicher scheiß Vogel! Also der Engel, nicht David.

Die Definition von Naivität

Ich legte ein paar Ermahnungen nach. Erinnerte ihn daran, dass er derjenige gewesen sei, der mir mal das Versprechen abgenommen habe, niemals in ungeklärten Verhältnissen schlafen zu gehen. Mehr blieb mir nicht übrig. Ihm zur Strafe Hausarrest geben, konnte ich schließlich nicht.

Er fragte, ob er sein Verhalten wieder gut machen könne beim nächsten Treffen und schlug mir direkt den folgenden Sonntag vor. Ich nahm an. Dumm, naiv wie ich bin, sagte ich zu. Ich weiß nicht, ob mir das jahrelange Haare-Färben mein Gehirn beschädigt hat. Aber ich hinterfragte nicht weiter, wieso er genau mich ignoriert hatte. Ignoriert auf eine respektlose Art und Weise.

Ihm zur Strafe Hausarrest geben, konnte ich schließlich nicht.

Versteht mich nicht falsch. Ein guter Streit gehört für mich in jeder Beziehung dazu. Sauer aufeinander zu sein, stellt für mich keine Beziehung in Frage, unabhängig davon ob es sich hierbei um eine Partnerschaft, platonische Freundschaft o. Ä. geht. Aber wir hatten keinen Streit gehabt. Wenn ich sauer bin und mit jemandem nicht reden möchte, dann sage ich “Ich möchte gerade nicht mit dir sprechen, ich melde mich.”. Das ist respektvoll. Weniger respektvoll ist es allerdings den anderen Menschen in Unwissenheit zu lassen. Es ist unfair jemandem die Möglichkeit zu nehmen, sich miteinander in Verbindung zu setzen. Es sei denn wir sprechen hier von einem Stalker. Eigentlich spürte ich bereits, dass sein Verhalten nicht der Situation angemessen war und ich weiter hätte hinterfragen müssen. Allerdings schob ich den kleinen nagenden Gedanken auf Seite und darauf, dass er sich dumm verhalten hatte, weil es alles noch so frisch war zwischen uns.

Wiedergutmachung? Denkste…

Wir verabredeten uns für Sonntag. Er schrieb mir morgens, dass er sich melden würde, sobald er Feierabend habe. Später meldete er sich und sagte ab, weil er länger arbeiten müsse. Was soll ich sagen? Dass ich überrascht war? Wohl kaum. Zeigte ich es ihm? Nein. Ich bin sehr gut darin meine Gefühle unter Kontrolle zu behalten. Wenn ich nicht möchte, dass jemand merkt, dass ich enttäuscht oder traurig bin, dann wird derjenige es auch nicht erfahren. In meiner Antwort sagte ich ihm lediglich, dass es in Ordnung sei. Darüberhinaus drehte ich den Spieß um. Ich schrieb ihm, dass ich in den folgenden Tagen viel zu tun haben und mich bei ihm melden würde, um das Treffen nachzuholen.

Wie angekündigt, wartete ich ein paar Tage und schrieb ihm wegen eines Treffens. Ich bekam keine Antwort. Auch nicht in den folgenden Tagen. Da ich keinerlei Interesse daran hatte, mich weiterhin zum Affen zu machen, beließ ich es dabei. Da ich keinerlei Möglichkeit hatte, ihm persönlich zu sagen, was ich von seiner Aktion hielt, hinterließ ich ihm eine kleine Sprachnachricht. In dieser teilte ich ihm mit, dass ich mir nur eine Erklärung von ihm gewünscht hätte. Auch darauf bekam ich (Na, was denkt ihr?) keine Antwort.

“Woran hat et jelegen?” fragt der Kölner

Natürlich spekulierten meine Freundinnen und ich hin und her. Eine meiner besten Freundinnen, ich stelle sie euch hier mal als Dr. Rodriguez vor, hatte eine klare Meinung: Eine andere Frau hatte das Spielfeld betreten oder spielte schon viel länger mit ihm als ich. Das Ding ist nur, ich rieche einen vergebenen Mann auf 10 km Entfernung gegen den Wind, wie ein Drogenspürhund das Koks im Köln-Mülheimer Stadtpark. Deswegen konnte ich mir das eigentlich nicht vorstellen.

Ich rieche einen vergebenen Mann auf 10 km Entfernung gegen den Wind, wie ein Drogenspürhund das Koks.

Meine Gefühle zu der Thematik? Zur Info vorab: Ich habe die Gefühlswelt eines Teelöffels. Um eine Empfindungsreaktion in mir hervor zu rufen, muss man das Haus um mich herum abfackeln oder mir einen Hunde-Welpen vor die Füße werfen. Tatsächlich hatte David es aber geschafft, die Eisfestung um das Organ, welches mein Herz sein soll, leicht anzutauen (ohne mich in Brand zu stecken). Meine Gefühle spielten Ping-Pong zwischen Katzenjammer und “War-doch-klar-dass-es-so-kommt”. Aber ich lebe nach dem Motto “Aufstehen, Krönchen richten, gelegtes Häufchen abziehen, Feldzug fortsetzen”.

Das Loch in der Socke

Ich hatte mir ein paar Tage Traurigkeit gegönnt aber nach einigen Wochen dachte ich nicht einmal mehr an ihn. Ich war auch nicht traurig, dass ich ihn als Menschen verloren hatte. Es war mehr ein nagendes nerviges Gefühl, stellt es euch wie ein Loch in der Socke vor. Es nervte mich, nicht zu wissen, was der Grund gewesen war. Mittlerweile aber hatte ich wieder meinen Thron bestiegen und schwang mein Zepter in üblicher Fasson. Wollt ihr den Trick zu meiner Eisprinzessinnen-Haltung wissen? Wahrheit und Zeit. Ich glaube mit absoluter Sicherheit, dass die Wahrheit mit der Zeit immer zu mir kommen wird.

Das Häufchen abziehen

Bisher war das auch immer der Fall. So kam es, dass ich ein kleines Konzert in einer kleinen Bar in der Innenstadt Kölns besuchte. Wer stand draußen als Sicherheitspersonal an der Tür? Nein, nicht David. Besser noch, sein Chef. Davids Chef J. hatte ich bereits kennen gelernt, er war ein unfassbar netter und ehrlicher Mensch und auch mit David privat befreundet. Ich stellte mich mit meinem Glas Wein zu ihm und wie plauderten. Irgendwann sagte ich ihm, dass ich ihm jetzt etwas erzählen und es ihm aber frei überlassen würde, ob er sich dazu äußern mochte. So erzählte ich ihm recht neutral von der Geschichte. Ich ließ keinerlei gehäßiges Wort über David fallen, denn immerhin wünschte ich mir, vielleicht doch noch eine Info über Davids Abgang zu erhalten. Und darauf konnte ich wohl kaum hoffen, wenn J. mich für eine gestörte und verletzte Psychopathin hielt.

Ich sei so eine nette, liebevolle, intelligente und ehrgeizige Frau.

Er war recht erstaunt über meine Geschichte und am meisten über den Zeitraum. Denn tatsächlich hatte David schon vor unserem Kennenlernen bereits eine Freundin gehabt und sei seitdem auch in einer Beziehung. J. kannte Davids Freundin und konnte es kaum glauben, dass ich an mehreren Tagen und Nächten auch bei David Zuhause gewesen war und ich ihn meinen Eltern vorgestellt hatte. Er streichelte meine Seele noch mit den Worten, dass er gar nicht verstehen könne, warum David sich nicht für mich entschieden hatte. Ich sei so eine nette, liebevolle, intelligente und ehrgeizige Frau. Ich muss gestehen, dass J. mich nicht besonders gut kennt…und einige meiner Freundinnen an ihrem Caipirinha erstickt wären, wenn sie diese Beschreibung über mich gehört hätten.

Im Zweifel für den Angeklagten

Das ist auch schon das Ende der Geschichte. Dr. Rodriguez hatte Recht behalten. Davids Spielfeld war bereits von einem anderen Team reserviert gewesen und ich hatte höchstens auf der Reservebank gesessen. Häufchen gefunden, Häufchen abgezogen.

Kann ich aus dieser Geschichte ein Fazit ziehen? Etwas, was mir in Zukunft weiterhilft, was ich euch mit auf den Weg geben kann?

Meine Einleitung in Teil 1 lautete wie folgt:

Wir können den Männern nur vor den Kopf schauen. Bedeutet das aber, dass wir uns uns gar nicht mehr auf offensichtliche Signale verlassen können? Oder noch schlimmer: Müssen wir davon ausgehen, dass wir grundsätzlich angelogen werden? Immer misstrauisch sein? Damit rechnen, dass der Mann, der uns noch gestern morgen faltig und verschlafen in die Augen geschaut und Kaffee ans Bett gebracht hat, am nächsten Tag über alle Berge ist?

Wie stehe ich jetzt dazu? Sollten wir uns gar nicht mehr auf offensichtliche Signale verlassen? Doch. Müssen wir davon ausgehen, dass wir grundsätzlich angelogen werden? Nein. Immer misstrauisch sein? Auf gar keinen Fall. Woher mein Optimismus rührt? Keine Sorge, es ist kein Optimismus aber es macht keinen Sinn sich verrückt zu machen.

Im Zweifel für den Angeklagten.

Wir können noch so bemüht sherlockmäßig mit unserer Lupe alle Menschen in unserem unmittelbaren Radius abchecken. Letzten Endes können wir alle verarscht werden, die Sherlocks und die naiven rosa Einhörner unter uns. Wir können aber selbst entscheiden, wie es uns dabei geht. Ständiges Misstrauen, immer auf der Hut sein, nach dem Häufchen suchen, all das ist anstrengend und vermiest uns die schöne Zeit, die wir mit einem Menschen haben können. Wir machen uns mit ständigen Zweifeln vielleicht etwas Tolles kaputt. Nehmen einem Menschen, der es tatsächlich ehrlich und gut meint, die Möglichkeit uns kennen zulernen. Und uns die Möglichkeit die Zeit zu genießen.

Im Zweifel für den Angeklagten. Außer ihr schwimmt in Geld, dann holt ihr euch gefälligst einen Privatdetektiv. ?

Hast du die Vorgeschichte schon gelesen?

Hier gehts zum 1. Teil: Wo ist das Häufchen?

und hier zum 2. Teil: Das Häufchen stinkt.