Warum uns Datingregeln das Leben schwer machen
Er wird's nicht Generation Y

Warum uns populäre Datingregeln das Leben nur schwer machen

Wenn ich eines über die Beziehung zu Männern und das Dating, von meiner Mama gelernt habe, dann ist es „Willst du gelten, mach dich selten.“. Aber meine Mutter ist nicht die Erfinderin dieser mutmaßlich erfolgreichen Datingregel, sondern seit jeher wird den Frauen diktiert, was falsch und was richtig beim Daten und Kennenlernen ist. In Online-Magazinen, in den üblichen Frauenzeitschriften, von Freunden und Freundinnen, im Fernsehen und in Foren. Warum uns populäre Datingregeln das Leben nur schwer machen, möchte ich euch gerne erzählen.

Sei die Dame, sei zurückhaltend. Der Mann zahlt die Rechnung, das gehört sich so. Schlaf auf keinen Fall beim ersten Date mit ihm und Küssen solltet ihr eigentlich auch nicht, er soll nicht denken, dass du leicht zu haben bist. Der Mann sollte sich nach dem Date zwar zuerst melden aber antworten? Nein, lass ihn erst einmal zappeln. Er soll nicht denken, dass du ihm ständig zur Verfügung stehst. Bleib vage und geheimnisvoll, sonst wirkst du uninteressant. Sprich nicht zu schnell das Thema Beziehung an und sowieso solltest du am besten nicht zu viel sprechen, niemand will eine brabbelige Frau. Zieh dich weiblich an, aber nicht zu viel Ausschnitt zeigen, er könnte dich sonst nuttig finden, bieder ist aber auch doof.

Aber der Reihe nach

Dating scheint nicht nur einfach Dating zu sein, es ist ein Spiel zwischen Mann und Frau (zumindest von meinem heterosexuellen Standpunkt aus betrachtet.). Auf mich wirkt es so, als ob es nicht darum ginge, sich kennenzulernen. Sondern als sei Dating ein Wettbewerb, um die besten schauspielerischen Fähigkeiten. Diejenige, die sich am besten darstellen konnte, kriegt die Trophäe Mann.

Zunächst muss es überhaupt zu einem Date kommen. So wischen wir uns bei Tinder den Daumen wund, schauen auf geschönte Fotos und jeder scheint doch irgendwie perfekt zu sein. Auf Tinder scheint es plötzlich keine Raucher mehr zu geben, alle sind sie mindestens 1,80 m groß, jeder ist wahnsinnig sportlich, liebt trockenen Rotwein und scheint schon jeden verdammten Ort der Welt bereist zu haben. Selbstdarstellung at its best und hier fängt die Schauspielerei an. Die Frauen, so habe ich mir erzählen lassen, „facetunen“ was das Zeug hält. Online so Monroe, offline eher so Manson. So scheinen einige Männer ihr Date beim ersten Treffen oftmals zunächst nicht wieder erkannt zu haben.

Ist Dating nicht schon schwer genug, auch ohne Datingregeln?

Lernen wir uns außerhalb der Online-Welt kennen, quasi in unserem natürlichen Habitat der Bar, sieht der Spuk nicht anders aus. Frauen tummeln sich in Prosecco beschwipsten Gruppen. Männer lauern um sie herum und versuchen sich die schwächste Gazelle abzugreifen. Es erklärt sich von selbst, dass der erste Drink auf ihn geht.

Ich bin eine schöne Prinzessin, er will mich, nicht ich ihn.

Egal auf welchem Wege, hat man sich erst einmal kennengelernt und Nummern ausgetauscht, geht das Spiel los. Natürlich meldet er sich zuerst. Nochmal zu Erinnerung an die Damen: Willst du gelten, mach dich selten. Er soll dich doch nicht für eine gestörte Stalkerin halten, wenn er am nächsten Morgen, verschlafen und verkatert, Morgenlatte bereits wieder auf Halbmast, ein aufdringliches „Hallo“ von dir auf seinem Handydisplay entdeckt. Nein, nein, das lassen wir sein. Wir rufen uns in den Kopf: Ich bin eine schöne Prinzessin, er will mich, nicht ich ihn (Oh, doch und wie wir ihn wollen, aber das blenden wir aus).

Die Spiele mögen beginnen

Hält der Mann sich an die für ihn geltenden Datingregeln, lässt er 3 Tage verstreichen, bevor er sich meldet. An diesem Punkt ganz wichtig: Niemals sofort antworten, eigentlich auch nicht sofort lesen (in Zeiten von blauen Häckchen sogar signifikant wichtig). Am besten das Handy gar nicht anfassen. Um ganz sicher zu gehen, das Handy sowieso lieber in den Rhein schmeissen und weglaufen. Ein bisschen Sport täte uns sowieso gut und Männer stehen ja bekanntlich auf schlanke Frauen. Nein, kurvige Frauen. Aber nicht soooo kurvig. Schlank aber mit ordentlich Brüsten und Hintern, das ist gut.

Er soll ja nicht denken, dass wir uns ins Höschen machen vor Freude.

Nachdem der Timer abgelaufen ist und wir endlich antworten dürfen, fängt die eigentliche Schwierigkeit an. Was antworten wir? „Hey“ klingt zu flappsig, „Guten Tag“ zu förmlich, wir entscheiden uns nach eingehender Studie und einstimmig vom gesamten Freundes- und Familienkreis beschlossen und einer Umfrage auf gofeminin.de für „Hallo“. Klingt locker, entspannt und nicht so, als ob wir ihn direkt vor den Altar schleppen wollen. Sollen wir Emojis verwenden? Lieber nicht, wirkt kindisch. Könnte er die Nachricht dann aber nicht missverstehen? Das „Hallo“ für ein abgefucktes „Hallo“ halten und uns somit für eine depressive Bitch? Ok, doch ein Emoji. Welches? Ein freundliches aber nicht zu freundlich, er soll ja nicht denken, dass wir uns ins Höschen machen, vor Freude über seine Nachricht.

Taktik #156: Beute verwirren

Unsere Nachrichten plänkeln dahin. Im neuen Frauen-Ratgeber lesen wir dann aber von einem neuen Trend: Antwortzeiten variieren. Variieren? Ja, variieren. Mal viele Stunden nicht antworten, mal erst wieder an Weihnachten, mal sofort. Wozu das dienen soll, erklärt uns keiner. Ich gehe davon aus, dass es dazu dienen soll, die Beute zu verwirren. Er soll uns für tot halten, damit die Freude, wenn wir schnell antworten und er merkt, dass wir noch leben, größer ist. Und natürlich ist das ein super Test. Denn wenn er sich freut, dass wir noch leben, muss er uns doch mögen, oder?

Das Totstellen war also erfolgreich.

Er fragt nach einem Date. Das Totstellen war also erfolgreich. Danke Brigitte, Königin des Frauenzeitschriften-Imperiums, für diesen Tipp. Was ziehen wir an? Wir sollten nicht zu viel Haut zeigen, Skianzug fällt aber raus, denn vielleicht mag er gar kein Ski. Das sexy schwarze Lingerie-Set lassen wir mal schön friedlich in unserer Schublade schlummern, um uns selbst davon abzuhalten, noch heute mit ihm in die Kiste zu springen. Der gemütliche Baumwollschlüpper sollte Grund genug sein, uns nicht wie eine willige räudige Katze hinzugeben.

Du hast dich gut verkauft? Weiter so.

Wir haben gehört, Männer mögen natürliche Frauen. Sollen wir uns also nicht schminken? Ohne Schminke sehen wir aber aus wie Cher auf Crack. Also checken wir nochmal kurz ein No-Makeup Makeup Look Tutorial auf youtube. So sitzen wir nun, in unserem leger-schicken Outfit und mit unserem vorgetäuscht natürlichen Antlitz, unserem Datepartner gegenüber.

Zur Hölle mit unserer Karrieregeilheit

Jetzt steht Smalltalk an. Wir sind interessant und genauso interessiert, reden aber reden nicht zu viel, hören ihm zu aber stellen ihm auch Gegenfragen, am besten ohne ihn zu unterbrechen. Vermeiden Themen wie Politik, Krankheit, Ex-Partner (und dass der Ex-Partner sich wie eine Krankheit anfühlt, erzählen wir schonmal gar nicht). Plötzlich fragt er uns aber nach unseren Ex-Beziehungen. Kennt er die Datingregeln nicht? Was sollen wir tun, uns wieder totstellen? Das scheint kein Ausweg für diese Situation zu sein. Verdammte Brigitte! Wir sind selbstbewusst und cool aber zeigen ihm bloß nicht unsere 10-Wege-eine-Weinflasche-zu-öffnen-ohne-Korkenzieher, obwohl wir unfassbar stolz darauf sind (zu Recht!). Und erzählen ihm auf gar keinen Fall, dass wir gegebenenfalls mehr Geld verdienen als er. Zur Hölle mit unserer Karrieregeilheit.

Und nun bloß nicht schwächeln

Der Abend verläuft super, er kauft uns die perfekte Frau ab. Wir bestellen die Rechnung. Natürlich zahlt er, so gehört es sich für einen Gentleman. Wir bedanken uns, als seien wir nicht auf diese Rollenverteilung getrimmt und verlassen die Bar. Er begleitet uns bis nach Hause. Am liebsten würden wir ihn mit nach oben schleppen und es auf der frisch geputzten Arbeitsplatte treiben. In unserem Inneren kämpft die Schlampe gegen die Prinzessin. Prinzessin gewinnt. Er kommt uns näher, sein Mund startet eine Kussoffensive. Ohje, einmal noch bäumt sich die innere Schlampe auf und will sich ihm entgegenstrecken, bis die Prinzessin ihr den Todesstoß verpasst und wir zaghaft verlegen, den Kopf wegdrehen.

Einmal noch bäumt sich die innere Schlampe auf und will sich ihm entgegenstrecken.

Wir verabschieden uns. Im Bett liegend überkommt uns der Drang, ihm zu schreiben, dass wir den Abend sehr schön fanden. Das tun wir aber selbstverständlich nicht. In den folgenden Tagen, fragt er uns, ob wir Zeit und Lust für ein weiteres spontanes Date haben. Wir sind verwirrt. Männer mögen schließlich spontane Frauen aber beschäftigt sollen sie auch sein. Wahrscheinlich mögen sie die Art von spontanen Frauen, die sie spontan zwischen Maniküre-Termin, dem VHS Chinesischkurs und dem Beckenbodenmuskulatur-Training dazwischenschieben können. Wir schauen uns um. Wir liegen in Jogginghose (nicht aus Jogginggründen) zwischen Chipskrümeln auf dem Sofa und schauen auf Netflix Serie XY. Nur um sicher zu gehen, sagen wir das Date aber ab.

Wolke 7 und so weiter

Wir überspringen nun den weiteren Verlauf und springen zum Punkt, an dem wir bereits diverse gemeinsame Dates hatten, wir uns gegenseitig dem Freundeskreis vorgestellt, miteinander geschlafen haben und es zu einer Selbstverständlichkeit geworden ist, dass wir regelmäßig Zeit miteinander verbringen. Es läuft gut, zumindest auf unserer, mit Zuckerwatte und Glitzerkonfetti gefüllten, Wolke 7. Seine Zahnbürste hat mittlerweile ihren Weg in unseren Zahnputzbecher gefunden und wir sind stolze Besitzerin seines kuscheligsten Hoodies. Wir stehen also quasi vor dem Kauf unseres Eigenheims und fragen uns langsam, dürfen wir ihn nun um Exklusivität bitten? Brigitte sagt nein. Also lassen wir es natürlich.

Dürfen wir ihn nun um Exklusivität bitten?

Plötzlich ein komisches Bauchgefühl, seine Nachrichten scheinen kürzer und die Abstände dieser länger zu werden. Wir fragen trotzdem nicht, was es damit auf sich hat. Zur Erinnerung: Wir sind keine gestörten Psychopathinnen! Wir lassen ihm seinen Freiraum. Männer brauchen das. Unsere Freundinnen entdecken ihn auf Tinder. Bestimmt hat er das Profil für einen schüchternen Freund eingerichtet. So wird es sein!

Es lag an uns

Wir hören nie wieder von ihm. Und tief in uns drin wissen wir, es lag an uns. Wir scrollen nochmal durch die Nachrichten. Analysieren mit der gesamten Zebra-Herde (für den Kontext, geht es hier zum Beitrag: Ich bin das Single-Zebra) und halten Videokonferenz mit dem Berliner Bundestag. Ja tatsächlich, wir haben ihm in Folge ganze 2x aktiv angetextet und uns 1x sogar zu einer Sprachnachricht herabgelassen. Haben wir gar keinen Stolz? Waren wir betrunken? Und natürlich muss ihn, dass eigens für ihn angeschaffte 8-in-1 Männerduschgel in unserem Badezimmer, wenn auch gut versteckt, sehr verschreckt haben. Wir wollten einfach wieder zu viel.

Wir wollten einfach wieder zu viel.

Auch wenn meine kleine Story überspitzt ist, wobei auch nicht wirklich, denn in ähnlicher Form habe ich es schon so erlebt (Dokumentiert in folgendem Beitrag: Wo ist das Häufchen?), geht es doch darum, dass ich nicht auf Spielchen stehe. Ich frage mich, ob uns diese Datingregeln helfen oder genau das Gegenteil bewirken? Wird uns nicht eben durch besagte Datingregeln eingebläut, dass ein Mensch uninteressant wird, wenn er sich zu häufig meldet? Uns zu sehr auf die Pelle rückt, wenn er uns oft sehen möchte? Zu schnell zu viel möchte, wenn er uns ehrlich sagt, dass er uns mag? Uns in unserer Freiheit einschränkt, wenn er uns seine ernsthaften Absichten erklärt?

Worauf ich hinaus will: Ich stehe nicht auf Spielchen

Meiner Meinung nach ist es ungemein wichtig zu wissen, welche Absichten Menschen, die ich kennenlerne, verfolgen. Wenn sie mich mögen, sollen sie mir das zeigen und auch sagen dürfen. Wenn ich die Sympathie nicht erwidere, werde ich sie das zu 100% wissen lassen. Wenn sie mir Nachrichten schreiben möchten, sollten sie das tun. Wenn sie beschäftigt sind, sollen sie es lassen. So handhabe ich es persönlich auch. Und viel wichtiger ist es mir, dass ich jemanden sagen darf, ob ich ihn gut finde oder nicht. Bin nur ich das oder sehen andere das genauso? Warum machen wir uns erst zu interessanten Menschen, indem wir uns rar machen?

Ich bin durchaus eine interessante Person und ich habe vieles zu erzählen. Im Übrigen bin ich mir sicher, dass hinter jedem Menschen eine interessante Geschichte steckt. Es ist mir wichtig, dass mein Gegenüber das erkennt und mich mag, wie ich bin. Genau darum geht es beim Dating doch letztendlich. Den anderen kennenlernen mit all seinen Facetten, guten und schlechten Seiten, seinen Macken und tollen Eigenschaften. Wir befinden uns beim Dating doch nicht beim Obstkauf im Supermarkt, wo wir uns, von auf hochglanz polierten und ins rechte Licht gerückten, Äpfeln blenden lassen. Nur um Zuhause festzustellen, dass sie fad schmecken.

Wenn ich dich mag, will ich, dass du es weißt

Finde ich jemanden gut, werde ich ihn das wissen lassen. Finde ich jemanden nicht gut, werde ich das genauso äußern. Sollte das nicht die Datingregel schlechthin sein? Kommunikation an die Front, offen sein, offen sprechen. Ich beispielsweise bin ein Mensch, deren natürliche Verhaltensweise es ist, eher ungerne auf Whatsapp zu kommunzieren. Das bedeutet aber nicht, dass ich es blöd finde, wenn mir jemand den Tag über Nachrichten schickt. Wenn jemand auf diesem Weg loswerden möchte, dass er an mich denkt, freue ich mich darüber. Ich sage von vornherein, dass ich kein Whatsapp-Mensch bin und somit sind die Fronten für mich geklärt.

Kommunikation an die Front, offen sein, offen sprechen.

Letztens erzählte mir eine Freundin, dass sie sich sehr in einen Mann verliebt hatte und es auch zunächst sehr gut lief. Plötzlich aber wollte der Mann nichts mehr von ihr wissen. Ihre Erklärung dafür war, dass sie sich uninteressant gemacht hatte, weil sie bereits nach wenigen Dates mit ihm ins Bett gegangen war. Ich finde solche Gedankengänge absurd. Sex ist ebenso eine Art sich kennenzulernen, wie tiefgründige Gespräche oder gemeinsame Aktivitäten. Damit möchte ich nicht sagen, dass man zwingend am ersten Date miteinander ins Bett gehen sollte aber wenn sich beide danach fühlen, dann ist es absolut richtig. Sex zu haben und sich gleichzeitig auf einer tiefgründigen Ebene kennenzulernen, schließt sich nicht gegenseitig aus, sondern ergänzt sich.

Meine unpopuläre Meinung zu Datingregeln

Im besten Fall ist das Ziel des Datings, seinen Lebensgefährten zu finden. L-E-B-E-N-S-G-E-F-Ä-H-R-T-E. Lasst euch das Wort auf der Zunge zergehen. Ein Mensch mit dem ihr euer Leben verbringen wollt. Wenn ihr zu den Menschen gehört, die viel Aufmerksamkeit und Zuwendung brauchen, sollte euer Gegenüber das Recht haben, dies zu wissen. Solltet ihr im Bett mehr Schlampe als Engel sein, dann ist es euer gutes Recht, das kund zu tun.

Eine Beziehung ist ein Konstrukt auf Augenhöhe.

Meine unpopuläre Meinung zu Datingregeln für Frauen: Frauen wird erzählt, einen Mann durch gewisse Verhaltensweisen in eine Falle locken zu können. Und diese Idee ist doch per se schon falsch. Eine Beziehung ist ein Konstrukt auf Augenhöhe. Frauen wollen einen Mann. Männer wollen eine Frau. Punkt.

Deswegen hört damit auf, euch zu verstellen, pfeift auf Datingregeln. Seid wie ihr seid und sprecht über eure Gefühle und die Gedanken, die euch bewegen. Wir alle haben eine natürliche Intuition und merken ganz von selbst, zu welchem Zeitpunkt, welche Schritte in welcher Form angebracht sind. Wir müssen aufhören uns zu stressen. Dating sollte doch Spaß machen und wenn es bei diesem einen Mal nicht wird, wird es beim nächsten Mal oder beim übernächsten Mal.