Therapie
Gedanken Laut Gedacht

Psychotherapie: Ab auf die Couch!

Von Gast

Welche Couch? Also ich war bei drei Psychotherapeuten und keiner hatte eine Couch! Na toll! Wer hat sich das nur ausgedacht?


Wenn man eine Psychotherapie anfangen möchte, ist es gar nicht mal so leicht einen Therapeuten zu finden. Bei mir hat es (nur) zwei Monate gedauert, bis ich meinen Therapeuten gefunden hatte. Andere suchen viel länger. Zudem macht einem die eigene Krankheit auch noch einen Strich durch die Rechnung. Man bekommt so schon nichts auf die Reihe und soll sich dann mit so einer, für einen bis dahin unbekannten, Thematik beschäftigen.

Ich war getrieben von rationaler Strebsamkeit, einem absoluten Perfektionsstreben


Mit der Psychotherapie ist das so eine Sache. Ich wusste eigentlich überhaupt nicht, was mich erwartet. Anfangs dachte ich auch hier wieder „der gibt dir jetzt Dinge zum abarbeiten und dann bist du wieder gesund.“ Rückwirkend betrachtend, mit einigen Monaten Therapie hinter mir, finde ich es schon ein wenig erschreckend in welchem „Modus“ ich damals unterwegs war. Ich war getrieben von rationaler Strebsamkeit, einem absoluten Perfektionsstreben, „auf Problem a folgt Lösung b“ Denken, alles zack zack, keine Zeit zum innehalten und durchschnaufen.

Meine Verhaltenstherapie

Tatsächlich war ich überrascht, dass man in einer Verhaltenstherapie (wie ich sie mache) einfach „nur“ redet. Manchmal auch über ganz banale Dinge, bei denen man denkt „hää was hat das jetzt mit meinen Problemen zu tun?“ Die Sache ist – man weiß oftmals gar nicht, WOMIT man ein Problem hat. Klar, viele Probleme weiß man schon ganz klar zu benennen. Vieles hat man aber auch lange Zeit verdrängt, oder man dachte man ist schon darüber hinweg, wie so Art Schubladen, die man zugemacht hat, und in die man niemals mehr reinschauen möchte bzw. wollte.

Die Sache ist – man weiß oftmals gar nicht, WOMIT man ein Problem hat.

Aber andere Dinge hat man gar nicht so als Problem wahrgenommen. „Problem“ ist vielleicht auch nicht das richtige Wort. Eher Abläufe, bestimmte Szenarien, die man immer auf die gleiche Art und Weise tut. Oder es sind bestimmte Ansichten / Denkmuster, die man von Klein auf eingetrichtert bekommen hat, die man aber gar nicht in Frage gestellt hat weil das ist eben so!“. Mitunter sind es dann aber Abläufe/ Denkmuster, die einem nicht gut tun, aber man erkennt sie selbst nicht. Und hierfür, wie auch für die real erkannten (aber teilweise aus den unterschiedlichsten Gründen verdrängten) Probleme hilft eine Psychotherapie.

Ich habe mich ganz bewusst für eine Verhaltenstherapie entschieden. Eine Verhaltenstherapie basiert auf dem Prinzip, dass ungünstige Verhaltensweisen und Denkmuster erlernt wurden und demnach auch wieder verlernt werden können. In der Verhaltenstherapie ist man als Patient aktiv an seinem Heilungsprozess beteiligt, indem man neue Denk- und Verhaltensweisen einübt. Aber dazu muss man sie erst einmal erkennen und sich dann auch auf den Veränderungsprozess einlassen. Letzteres ist wie mit dem Kampf gegen einen inneren Schweinehundes zu vergleichen.

So Mancher kennt dies schon aus diversen Abnehmversuchen oder dem immer wiederkehrenden Vorsatz sich mehr zu bewegen, weniger Süßes zu essen usw. Das ist wirklich schwierig und richtig harte Arbeit! Weniger Arbeit für den Körper, aber um so mehr für den Geist! Jeder der schon einmal wusste, dass etwas total ungesund ist – nehmen wir zum Beispiel das Thema rauchen – aber es dennoch immer wieder tut, weiß wovon ich spreche. Und genau so ist es mit schon immer gelebten Denk- und Verhaltensmustern wenn es um das Thema Psyche geht.

Wenn man es denn geschafft hat, sich für eine Psychotherapie zu entscheiden, mit dem festen Vorsatz, Wunsch und Willen dafür alles zu tun was nötig ist, auch wenn es vielleicht im ersten Moment unlogisch ist, DANN kommt der nächste Schritt.

Denk- und Verhaltensmuster erkennen – wie passiert das?

Das ist gar nicht so einfach zu beantworten, denn es ist natürlich auch sehr individuell. In meinen nächsten Beiträgen würde ich euch gerne von meinen Veränderungen erzählen. Das ist natürlich sehr privat, aber ich finde es an dieser Stelle auch sehr wichtig. Von blanker Theorie hat noch nie jemand etwas gelernt und vielleicht hilft es der/dem einen oder anderen in seinem Leben auch seine persönlichen „Fallen“ zu entlarven.

Nicht aufzugeben und sich immer wieder seinen Wunsch nach Veränderung ins Gedächtnis zu rufen hilft in Momenten, in denen man alles gegen die Wand fahren möchte. Rückschritte gibt es nicht. Rückschritte sind in Wirklichkeit immer nur Momente in denen man erkennt, dass man noch mehr tun muss, dass man es vielleicht anders machen muss als wie man es schon versucht hat, die Perspektive zu ändern. Das klingt einfach geschrieben, aber ich weiß wovon ich spreche!

Rückschritte gibt es nicht.

Wenn ich nach mehren Tagen oder Wochen an denen es mir gedacht schon wieder besser ging, auf einmal einen „Rückschlag“ hatte, dann fühlte sich das einfach nur furchtbar grausam an. Man glaubt noch gar nichts erreicht zu haben, vergräbt sich wieder im Bett, möchte keinen Menschen hören und sehen. Das ist wirklich nicht einfach. Man darf nicht vergessen, ich schreibe hier über eine psychische Erkrankung! Also keinen Normalzustand (wie auch immer der aussehen mag).

Ein psychisch gesunder Mensch hat auch immer wieder Phasen in denen er sich kaputt und ausgelaugt fühlt. Das ist ganz normal. Für einen psychisch kranken Menschen ist das aber Dauerzustand! Und aus diesem Dauerzustand heraus eine persönliche Veränderung heraus zu vollziehen ist ein wirklicher Kraftakt – und das körperlich wie geistig.

Nehmen wir zum Beispiel den schönen guten Ratschlag den Menschen mit psychischen Erkrankungen oft hören: „Geh einfach mal eine Runde raus spazieren. Die Sonne wird dir gut tun!“ Ja klar würde sie das. Das wissen psychisch kranke Menschen schon auch. Sie schaffen es aber oftmals körperlich nicht dies umzusetzen! In Gedanken wollen das die meisten, das ist überhaupt nicht das Ding! Sie wollen es, weil sie sich ihrer Erkrankung bewusst sind und nichts mehr wollen als wieder gesund sein.

„Geh einfach mal eine Runde raus spazieren. Die Sonne wird dir gut tun!“

Erinnert ihr euch noch an meinen letzten Beitrag, in dem ich schrieb, dass oftmals schon Zähneputzen und duschen eine absolute Herausforderung für mich waren, und dass ich es an manchen Tagen noch nicht einmal vom Schlafanzug in den Jogginganzug geschafft habe? Kleine banale Dinge, die für einen psychisch gesunden Menschen überhaupt nicht erwähnenswert sind. Da denkt man gar nicht drüber nach!

Energiefresser aussortieren

Für Menschen mit einer psychischen Erkrankung wie zum Beispiel einer Depression sind DAS schon mitunter Erfolgserlebnisse! Wie soll man da „einfach mal eine Runde draußen spazieren gehen“? Einfach ist nicht immer einfach. Allein bei diesem Beispiel spielt so vieles mit rein. Da ist nicht nur das umziehen in rausgehtaugliche Klamotten (damit meine ich nichts sonderlich schickes, sondern einfach nur nicht im Schlafanzug rauszugehen), vielleicht etwas Wasser ins Gesicht schütten, Zähne putzen und sich die Haare zu kämmen.

Man würde auch auf andere Menschen treffen! Für mich war das ein absolutes Problem. Ich hatte immer das Gefühl, dass mich alle Menschen denen ich begegnete anstarren und mir meine Krankheit ansehen, so als würde ein imaginäres Schild über mir schweben „ACHTUNG! PSYCHO!“. Der blanke Horror! Also vermied ich solche Aktivitäten auch weitestgehend, obwohl mir ein Spaziergang sicherlich gut getan hätte.

Andere Sprüche die Menschen mit einer psychischen Erkrankung oft hören und die nicht besonders hilfreich sind:

Stell dich nicht so an! Das ist nur so eine Phase!“

Andere Menschen haben auch Probleme und machen nicht so ein Theater!“

Burnout und Depression – dieser ganze neumodische Quatsch!“

Das sieht man dir aber gar nicht an!“

Du willst doch nur Aufmerksamkeit!“

Letztens als ich dich gesehen habe, hast du doch noch gelacht. Du kannst doch gar keine Depression haben!“

An alle die selbst solche Sätze schon einmal gebracht haben (wobei solche Menschen wahrscheinlich nicht diesen Blog lesen) sei etwas gesagt: Ihr habt überhaupt gar keine Ahnung was ihr mit solchen Äußerungen alles bzw. was ihr noch mehr kaputt macht! Depression ist nämlich nicht nur eine einfache Traurigkeit. Depression stellt deine ganze Existenz in Frage. Sie gibt dir das Gefühl nichts wert zu sein und das niemand dich haben will und das dich kein Mensch braucht und versteht.

Depression ist keine Stimmung. Sie ist ein Lebensgefühl. Deshalb lachen depressive Menschen auch, machen Witze und wirken unbekümmert oder sind sogar im Job erfolgreich. Unvergessen der Schauspieler Robin Williams. Fußballer (Torhüter) Robert Enke, der mit seinem Freitod das Thema Depression im Leistungssport enttabuisierte. Nirvana Frontman Kurt Cobain, US-Musiker und Soundgarden Sängers Chris Cornell und, ein Tod der mich auch schmerzlich sehr bewegt hat war, der Tod von Chester Bennigton – Frontmann und Sänger der Band Linkin Park. Wenn du also keine Ahnung von diesem Thema hast, sorry, aber dann halt einfach deine Fresse!

Depression ist nämlich nicht nur eine einfache Traurigkeit.

Wenn ihr auch solche Sprüche gehört habt oder sie aktuell hört, dann lautet mein Rat: meidet solche Menschen! Meidet nicht alle Menschen, aber solche von denen ihr wisst (nicht denkt!) das sie so denken. Solche Sätze sind ein Zeichen von mangelndem Wissen, Desinteresse und/oder nicht zuletzt fehlender Empathie. Und da ihr momentan alle Kraftreserven für euch selbst motivieren müsst, tut euch selbst einen Gefallen, dreht euch um und geht. Alles andere kostet nur Kraft und Zeit – eure Kraft – eure Zeit. Ihr werdet irgendwann feststellen wie wunderbar befreiend es ist, sich nicht mehr mit diesen Menschen umgeben zu müssen!

Das gleiche gilt für die Menschen, die immer gleich mit ihren Sorgen anfangen sobald man sagt „Mir geht es nicht gut!“ Solche Menschen plappern dann immer gleich drauf los, von ihren Problemen und auch das braucht ihr nicht! Ich meine damit nicht, dass man nicht für seine Freunde oder seine Familie da sein soll. Ich meine damit sogenannte „Energieräuber“ die nicht wirklich an euch, eurem Leben, euren Problemen ein Interesse haben.

Ihr erkennt sie daran, dass diese Menschen sich NICHT von sich aus bei euch melden werden während ihr zum Beispiel krankgeschrieben seid. Später kommt dann „Ich wollte mich ja eigentlich auch melden, aber weißt du, bei mir war so viel los. Bla, bla, bla…“ Merkt ihr was? Wieder nur sie! Ab in die Tonne damit!

Das Leben ist schön und eine psychische Erkrankung kann auch der Start, die Möglichkeit in ein vollkommen neues und anderes Leben sein. Für aktuell Betroffene mag es unmöglich klingen, aber ALLES im Leben ist eine Chance! ALLES!

Headerbild von John Rae Cayabyab von Pexels

Über die Autorin


Über Alexandra: Ich bin 43 Jahre alt und wohne in der Nähe von München. In meinem Blog „Kirmes im Kopf“ setzte ich mich mit meiner Depressionserkrankung auseinander. Mein Blog ist wie eine Art Tagebuch, in dem ich rückwirkend meine Erfahrungen, Erlebnisse und Gedanken zu dem Thema Depression, die Ursachen und meinen Weg hinaus beschreibe. Mein Wunsch ist es damit einerseits eine Art Selbstreflexion der Ereignisse zu bekommen, sowie anderen Menschen Mut zu machen und das Gefühl zu haben, nicht alleine zu sein.

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